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„Nicht wie ich will, sondern wie du willst“
Ensemble Paulinum und Pulchra Musica führten Markuspassion von Reinhard Keiser in der Bergkirche auf
HOCHHEIM (usw)
– Die Hochheimer Bergkirche hat ihr tausendjähriges Jubiläum am Sonntag
mit einem hörenswerten Auftakt gefeiert. Das Ensemble Paulinum und das
Barockorchester „Pulchra Musica“ führten unter Leitung von Christian
Bonath die eher selten gespielte Markuspassion von Reinhard Keiser auf.
Das Werk, das auch für kleine
Besetzung geeignet ist, ist vor allem deshalb interessant, weil der sehr
erfolgreiche und fleißige Komponist – er hat in knapp 16 Jahren 25
Opern verfasst – ein Zeitgenosse Telemanns, Händels und Bachs war und
immer wieder Querverbindungen festzustellen sind. Seine Markuspassion,
so führte die junge Musikwissenschaftlerin und Sängerin Sandra M. Ehses
im Vorwort zum Textheft aus, könne durchaus als Vorläufer von Bachs
Matthäus-, und Johannes- Passion gesehen werden. Bach war es
auch, der das Werk 1712 in Weimar aufführte und dabei die ursprünglich
vorgesehene Oboensoli durch Violinen ersetzte, desgleichen den basso
continuo durch ein Cembalo ausführen ließ, weil die Orgel defekt war.
Diese dem Original am nächsten kommende Variante hat Bonath mit Chor und
Orchester für die Auftaktveranstaltung des Jubiläumsjahres auch
vorbereitet.
Ungewöhnlich für diese
Jubiläumsveranstaltung war die vorausgehende Einführung im voll
besetzten Gemeindesaal der evangelischen Kirche. Während Sandra Ehses
die musikalische Seite der Aufführung ansprechend erläuterte, nahm sich
Prof. Dr. Werner Zager der theologischen Deutung an, insbesondere der
Erzählabsicht des Evangelisten. Markus stellt in seiner Beschreibung
der Passion immer wieder die Beziehung zum Alten Testament (leidender
Gottesknecht, Ps. 22 und verachteter Gerechter, Weisheit Salomons, 2,11
ff) her, um Jesus als den Gerechten, der mit seinem Sterben Gottes
Willen erfüllt, zu profilieren.
Gut anderthalb Stunden dauerte
das Oratorium, das den biblischen Text unverändert als Vorlage benutzt.
Im Wesentlichen wird die Passionsgeschichte erzählt, rezitiert vom
Evangelisten selbst, dem wohltuend schlicht agierenden, aber stimmlich
sehr präsenten Burkhard Hildebrand (Tenor), der sich auch ohne
Instrumentalbegleitung gut behaupten konnte. Den Jesus, ergeben in
seinen göttlichen Auftrag, sang mit würdiger Ausdruckskraft Stephan
Wernersbach (Bass). Die diversen Rollen des Altus übernahm der Dirigent
selbst, Peter Münch sang den Part des Petrus und des Pilatus, Hedi
Killick die Magd (leider nur kurz), Sandra Ehses war als Sopran zu
hören, sehr gelungen in den gemäßigten Lagen, während sie mit den Höhen
etwas zu kämpfen hatte.
Trotz mancher schöner
kompositorischer Einfälle sorgten die vielen Rezitative mit den häufig
nicht am Textsinn orientierten Betonungen für eine gewisse Eintönigkeit.
Da konnten auch die etwas lebhafteren kleinen Arien und elegant
aufspielenden Instrumente (Konzertmeister: Peter Kutz) wenig ausrichten.
Lebendig und frisch wurde es vor allem dann, wenn das „Volk Israel“ ins
Spiel kam. Da zeigte das Ensemble Paulinum seine Fähigkeit zu einem
souverän modellierenden, wohltönendem Chorgesang.
(Quelle: Wormser Wochenblatt)